Reiseberichte

Oestliches Burgund

Oestliches Burgund

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Die Wiege des Weins

Text und Fotos: Ralph Binder

In einem verschlafenen französischen Landstrich liegt ein verträumtes Dörfchen. Ein paar Häuser, eine Kirche aus dem 12. Jahrhundert, ein Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert und - wie es sich für die Region gehört - eine Winzergenossenschaft. All das hübsch geschmückt und gut erhalten. Kein Touristengedränge, kein Museum, nicht einmal eine erwähnenswerte Weinhandlung. Das ist erstaunlich, denn das Dörfchen trägt einen großen Namen, der rund um den Globus in aller Munde ist: Chardonnay. Hier steht sozusagen die Wiege der Chardonnay-Traube. Hier begann ihre Reise um die Welt. Sie wird heute in Europa ebenso angebaut wie in Kalifornien, Australien, Chile oder Südafrika. Wir steuern unser Wohnmobil durch das Burgund, genauer gesagt durch seinen Süden rund um die Stadt Macon. Von hier breitet sich das östliche Burgund über Beaune und Dijon nach Norden aus. Im westlichen Burgund liegen die Städte Auxerre und Nevers. Der östliche Teil Burgunds ist vor allem von der Landwirtschaft geprägt. Rinderzucht und Weinbau dominieren das Landschaftsbild, Senf- und Käseherstellung sind ebenfalls typisch für die Region.

Geschichtsträchtige Gemäuer

Die wechselvolle Geschichte des Herzogtums Burgund geht zurück bis ins 9. Jahrhundert. Seine Blütezeit erlebte es im 15. Jahrhundert, als sein Einflussbereich dank geschickter Heiratspolitik über das heutige Elsass und Lothringen, Luxemburg, Belgien bis hinauf in die Niederlande reichte. Mit dem Tod Karls des Kühnen in der Schlacht von Nancy 1477 endete auch der Aufstieg der Herzöge von Burgund. Das Reich wurde zwischen den Habsburgern und Frankreich aufgeteilt und Burgund nach und nach auf seine Kernregion zurückgestutzt. Die Geschichte hat zahlreiche historische Baudenkmäler hinterlassen. In nahezu jedem Dorf findet sich ein Herrensitz, eine Burg oder ein Schloss, mal mehr, mal weniger prunkvoll. Auch unser Ausgangspunkt für die Besichtigungen des östlichen Burgunds ist ein ehemaliges Schloss: Der Campingplatz Château de l‘Épervière umringt das gleichnamige Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert. Darin serviert das Schlossrestaurant unter anderem das regional typische Boeuf Bourgignon. In den angrenzenden Wirtschaftsgebäuden aus dem 18. Jahrhundert befinden sich Rezeption, Bar, Shop, Fahrradverleih und Sanitäreinrichtungen. Das ist Caravaning mit historischem Flair – sehr passend für diese geschichtsträchtige Region. Von hier aus sind die Sehenswürdigkeiten des östlichen Burgund mit dem Wohnmobil leicht zu erreichen.

Eines der beeindrucken Zeugnisse der Blütezeit des Herzogtums Burgund steht heute in Beaune. Das Hôtel-Dieu wurde von Nicolas Rolin, dem Kanzler des burgundischen Herzogs Philipp des Guten erbaut und bezeugt bis heute das Engagement der Führungselite für das Wohl ihrer Untertanen. Mittellose wurden hier kostenlos gepflegt, viele wohlhabende Bürger und Adelige vermachten nach ihrem Tod ihren Besitz dem Krankenhaus. So kam das Hôtel-Dieu zu beträchtlichen Ländereien und wurde um weitere Einrichtungen ergänzt, die unter dem Sammelbegriff Hospices de Beaune firmieren und noch heute in der Krankenversorgung aktiv sind. Finanziert wird das alles durch die Weinproduktion. Den Hospices de Beaune gehören zahlreiche Premier Cru- und Grand Cru-Lagen im Burgund, die jeweils nach ihren Stiftern benannt sind. Die jährliche Wein-Auktion des Hospice de Beaune mit ausgiebiger Verkostung durch Kritiker und Einkäufer ist auch ein Indikator für die generelle Qualität eines Burgunderjahrgangs. Ihr Urteil bestimmt das Preisniveau.

Abwechslungsreiche Aromen

Ebenfalls in Beaune unweit des Hôtel-Dieu steht der letzte noch in Familienbesitz befindliche Senfhersteller Frankreichs. Die Moutarderie Edmond Fallot. In einem Museum wird die Senfherstellung ausführlich erklärt. Der Begriff Dijon Senf bezeichnet heute nur noch ein Herstellungsverfahren, ist jedoch keine geographisch geschützte Bezeichnung mehr. Um wieder einen echten Burgunder Senf herzustellen hat die Senfmühle Edmond Fallot den Moutarde de Bourgogne neu eingeführt. „Dafür werden nur Zutaten aus der Region verwendet“, erklärt Nathalie Désarménien bei der Führung durch die Senfmühle. „Im Jahr 2009 erhielt der Moutarde de Bourgogne von Fallot dann auch die lang ersehnte geographisch geschützte Bezeichnung.“ Die Senfmühle stellt noch 12 weitere Senfsorten her, von denen einige mit Basilikum, Estragon, Nüssen, Honig und weiteren Gewürzen aromatisiert sind. Am Ende der Führung durch die Senfmühle, die pro Person zehn Euro kostet, können alle Senfsorten verkostet werden.

Unter Kennern gilt das Burgund heute als beste Weinregion Frankreichs. Zwar wird hier bei Weitem nicht so viel produziert wie beim großen Rivalen Bordeaux. Allerdings sind die Winzer hier stolz darauf, dass sie im Gegensatz zu den Bordelaiser Kollegen sortenreine Weine und keine Cuvées abfüllen. Damit machen sie sich jedoch stärker vom Jahresklima abhängig und nehmen mehr Geschmacks-, Qualitäts- und damit auch Preisschwankungen in Kauf. Da sich unterschiedliche Rebsorten in einem Jahr auch unterschiedlich entwickeln, können die Winzer im Bordeaux die Schwäche der einen Rebsorte durch höhere Dosierung einer anderen Rebsorte oft ausgleichen. Bordeaux hat daraus eine Winzerkunst auf höchstem Niveau gemacht. Im Burgund werden Cuvées hingegen nur als billiger Tischwein verkauft. Der Weinbau hat hier eine Tradition bis die vorchristliche Zeit. Schon lange vor Ankunft der Römer, so wird vermutet, bauten die Kelten hier Wein an. Chardonnay und Pinot Noir sind heute die dominierenden Trauben der sortenreinen Burgunder. Erstere für Weißwein, die zweite für Rotwein. Die weiße Aligoté und die rote Gamay Traube werden ebenfalls in geringeren Mengen angebaut. Aus der Gegend um Chablis kommen die wohl bekanntesten burgundischen Weißweine, allerdings stehen die Weißen aus Meursault, Puligny-Montrachet und Aloxe-Corton ihnen in nichts nach. Im Gegenteil, geringere Mengen kommen hier der Qualität zu Gute. Die berühmtesten Rotweine des Burgund finden sich an der Cote d’Or zwischen Santenay und Dijon. Wer von der Straße D 974 ab und zu mal nach Westen abbiegt, findet wunderbare Weindörfer wie Chassagne-Montrachet, Meursault, Monthélie, Volnay, Pommard, Vosne-Romanée, Vougeot oder Gevrey-Chambertin.

Mit dem Fahrrad lassen sich die Weinorte zwischen Beaune und Santenay übrigens auch gut erkunden. Die nur leicht hügelige Landschaft stellt auch an Freizeitradler keine allzu großen Herausforderungen. Die Veloroute La Voie des Vignes führt von Beaune aus mitten durch die Weinberge und bietet einen herrlichen Ausblick über das Tal der Saône. Ganz nebenbei lassen sich dabei die Kalorien der zahlreichen kulinarische Köstlichkeiten des Burgund abarbeiten. Wer die zahlreich angebotenen Weinproben direkt bei den Produzenten in Anspruch nehmen möchte, sollte jedoch lieber wandern. Auch das ist bei den übersichtlichen Entfernungen ohne weiteres möglich. Von Beaune bis Meursault sind es gerade einmal knappe 10 Kilometer. Dazwischen liegen mit Pommard, Volnay, und Monthélie gleich drei schöne Winzerdörfchen. Für Weinliebhaber ein Mekka. Wer den verkosteten Wein auch kaufen möchte, kann Tags drauf mit dem Reisemobil wiederkommen. Stauraum für die eine oder andere Kiste ist im Reisemobil ja genug vorhanden. Der Posten sollte jedoch vorher in der Urlaubskasse eingeplant sein. Denn billig sind die flüssigen Souvenirs nicht.