Reiseberichte

Niedersachsen Teil 2

Niedersachsen Teil 2

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Schnucken, Spaß und Schöngeist

Fotos und Text: Ralph Binder

Streng genommen ist die Lüneburger Heide eine einmalige Landschaft zwischen den Metropolen Hamburg, Bremen und Hannover. Als touristische Region Lüneburger Heide werden jedoch nur die Landkreise Harburg, Celle, Lüneburg, Uelzen und Soltau-Fallingbostel zusammengefasst. Die Heideblüte im August und September ist weltberühmt und ein Höhepunkt des Landschaftserlebnisses. Am besten lässt sich die Landschaft, die von kleinen Flüssen durchzogen ist, mit dem Fahrrad oder beim Wandern entdecken. Dank der geringen Höhenunterschiede eignet sich die Region auch für ungeübte Wanderer oder Familien mit Kindern – Schnucken gucken inklusive. Die Routen sind abwechslungsreich und gut ausgeschildert.

Aber nicht nur Natur steht in der Lüneburger Heide auf dem Programm. Die Region hat eine unglaubliche Vielzahl an Erlebnis- und Freizeitparks. Scherzhaft wird die Heide schon das “Orlando Europas” genannt, weil man das Angebot mit dem Floridas vergleichen kann. So wartet im Heide-Park Soltau „Colossos“, die größte Holzachterbahn Europas, oder „Desert Race“, deren Wagen in 3 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen. Im Serengeti-Park grüßen die Giraffen durchs offene Autofenster: Mit dem eigenen Pkw oder einem Bus fährt der Besucher durch das riesige Freigehege mit Löwen, Tigern, Gnus, Affen und vielen anderen afrikanischen Tierarten. Der Vogelpark in Walsrode ist berühmt für seine Botanik und die zahlreichen, teils seltenen Vögel. Der Snow-Dome in Bispingen bietet zu jeder Jahreszeit eine rasante Abfahrt und zünftigen Après-Ski. Ingesamt 10 Erlebnisparks buhlen in der Tourismusregion um die Gunst der großen und kleinen Besucher. Kaum eine andere Destination ist so ausgerichtet auf das Familien-Erlebnis wie die Lüneburger Heide. Familien stehen auch im Mittelpunkt der Klientel des Südsee-Camps in Wietzendorf. Der Campingplatz ist die erste Adresse in der Lüneburger Heide und einer der besten Plätze Europas. Auf einer Gesamtfläche von 90 Hektar finden sich neben den Stellplätzen für Wohnwagen und Wohnmobile auch Ferienhäuser und Chalets. Zu den Freizeiteinrichtungen gehören unter anderen ein großer Badesee, ein subtropisches Wellenbad mit Sauna, Dampfbad und Solarium, ein Reiterhof und ein Hochseilgarten. Seit Mai 2010 ergänzt mit dem Dschungel-Golf eine neue Kunstrasen-Minigolfanlage das Angebot. Von der Kleinkinderbetreuung bis zur Diskothek Pier One finden im Südsee-Camp Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen gleichermaßen ihren Spaß.

Künstlerkolonie Worpswede

Der Dichter Rainer Maria Rilke schwärmte von einem „Himmel von unbeschreiblicher Veränderlichkeit und Größe“. Bis heute zieht der Himmel über dem Weyerberg Künstler und Schöngeister in den Bann. Zu dessen Füßen liegt die bekannte Künstlerkolonie Worpswede. Rund 30 km nordöstlich von Bremen liegt sie wie eine Insel inmitten des Teufelsmoores. Sanft wölbt sich die bewaldete Sanddüne auf stolze 54,4 Meter Höhe. Die Häuser stehen, von Bäumen dicht umschlossen, in großzügigem Halbkreis um den Berg.

Die Zufallsbekanntschaft mit der jungen Kaufmannstochter Mimi Stolte aus Worpswede führte zuerst den jungen Düsseldorfer Kunststudenten Fritz Mackensen 1884 in das bis dahin noch völlig unbekannte Dorf im Teufelsmoor. Begeistert von der Landschaft und den Bewohnern kehrte er in den Sommerferien der folgenden Jahre zurück, begleitet von seinem Studienfreund Otto Modersohn und dem Münchner Kollegen Hans am Ende. Ihr Entschluss zu Bleiben im Spätsommer 1889 wurde die Geburtsstunde der Worpsweder Künstlervereinigung, in deren engsten Kreis Mitte der neunziger Jahre noch Fritz Overbeck und Heinrich Vogeler aufgenommen wurden. Fritz Overbeck, der Naturalist, führte in seinen Gemälden den Lichtzauber vor, den der hohe Himmel über Worpswede ausbreitet. Der junge Heinrich Vogeler (1872–1942) schwärmte dagegen von der Natur wie von einem verkannten Paradies: kunstvoll und romantisch arrangierte er seine frühen märchenhaften Bilder, die sich bald dem europäischen Jugendstil zuordnen ließen. In Malerei, Graphik und Kunsthandwerk war Vogeler die produktivste und vielseitigste künstlerische Persönlichkeit Worpswedes. Sein aus einem alten Bauernhaus stilvoll entwickelter „Barkenhoff“ wurde um 1900 zum bedeutenden Treffpunkt für Maler und Literaten. Zu den berühmtesten Gästen zählte der Dichter Rainer Maria Rilke, der 1899 erstmals Worpswede besuchte und zwei Jahre später die erste und grundlegende Monografie über den Ort und seine Maler schrieb.

Genannt werden muss auch der Architekt Bernhard Hoetger. Er schuf in Bremen die Böttcherstraße. In Worpswede erbaute er das Café „Kaffee Worpswede“, im Volksmund “Café Verrückt” genannt, das Hoetger-Wohnhaus Hinterm Berg und den Niedersachsenstein auf dem Weyerberg. Im Kaffee Worpswede kann der Gast übrigens heute nicht nur architektonische Kunst genießen. Auch die Kreationen von Küchenchef Jens Kommerau verdienen es, als Kunst bezeichnet zu werden.

Ein anderes architektonisches Kunstwerk ist das von Edwin Koenemann, dem Schriftsteller und ersten Worpsweder Gästeführer, ab 1926 bewohnte runde Waldhaus mit dem treffenden Namen Käseglocke. Die Käseglocke liegt, von Kiefern umgeben, auf einem Waldgrundstück an der Lindenallee. Von dem Architekten Bruno Taut gestaltet und mit farbiger Außengestaltung und expressionistischen Details versehen, dient die Käseglocke heute als Museum für regionale angewandte Kunst.

Seit sich Fritz Mackensen und seine Künstlerfreunde hier niederließen, sind ihnen bis heute viele Kunstschaffende gefolgt. Und noch immer verbinden sich in Worpswede Kunst und Landschaft zu einer einzigartigen Atmosphäre. Ausstellungen der Alten Worpsweder Meister in den Museen, zeitgenössische Kunst in Galerien und Ateliers, Künstlerarchitektur umgeben von Feldern, Wäldchen, Gärten und Parks - in Worpswede liegen zwischen dem Spaziergang über den Weyerberg und dem Besuch eines Museums nur wenige Meter!