Reiseberichte

4 Von Marrakesch nach Asilah

4 Von Marrakesch nach Asilah

Bildergalerie:

Sultane, Scherifen und Künstler

Text und Fotos: Raimund Binder

Kaum eine Stadt in Marokko weckt bereits vorab so viele Erwartungen wie Marrakesch. Die Stadt im Zentrum Marokkos hat über eine Million Einwohner und ist auf Grund der Vielzahl der Sehenswürdigkeiten ein beliebtes Touristenziel. Eine 12 km lange lehmfarbige, mit Türmen befestigte Stadtmauer aus dem 12. Jahrhundert legt ihren mächtigen Ring um die gesamte Medina und gestattet nur durch mit Ornamenten verzierte Tore Zugang zur Stadt. In deren Mitte prangt weithin sichtbar die Koutoubia Moschee. Deren Mittelschiff wird von sieben Kuppeln überdacht und hinter ihren verschlossenen Portalen verbergen sich insgesamt siebzehn Seitenschiffe. Ihr kunstvoll mit Rautenmustern geschmückter Turm ist das Wahrzeichen der Stadt.

Der um 1900 erbaute Bahia-Palast dient mit seinen zahllosen Prunkräumen und Innenhöfen heute noch als Königspalast. Doch seine Pracht kann besichtigt werden, wenn der König nicht in der Stadt weilt. Auch hier ist Hollywood nicht weit. Einige Szenen des Klassikers Lawrence von Arabien wurden im Bahia-Palast gedreht. Im Mausoleum der Saadier ruhen nicht weniger als vier Sultane und deren 62 Angehörige. Die Totenstätte ist ein vollkommenes Beispiel arabischer Baukunst in Marmor. Der Ende des 16. Jahrhunderts erbaute El Badi Palast steht leider nur noch in Bruchstücken. Ein Nachfolger ließ Teile davon abtragen und für seinen eigenen Palastbau in Meknes verwenden. Aber sogar die Ruinen künden noch von der einstigen Größe des El Badi Palastes und der vergangenen Macht seines Erbauers, des Sultans Ahmed el Mansour. Die vom französischen Kunstmaler Jacques Majorelle 1923 um seine Villa herum angelegten subtropischen Gärten wurden nach ihrer kompletten Verwilderung vom französischen Modeschöpfer Yves Saint Laurent restauriert und der Stadt übergeben. So ist die betörende Farbenpracht der Gärten heute für jedermann zu bewundern. Der Pavillon des Sultans an einem riesigen Wasserspeicher ist das Zentrum der im 12. Jahrhundert angelegten Menara-Gärten. Der Wasserspeicher, der Pavillon und im Hintergrund das schneebedeckte Atlas-Gebirge gehören zu den beliebtesten Postkartenmotiven Marokkos. Unzählige Straßenkünstler ob Gaukler, Schlangenbeschwörer, Musiker, Wahrsager oder Vorleser und die Garküchen auf dem Djemaa el Fna, dem riesigen Platz vor dem überlaufenen Souk der Stadt, nehmen den Besucher mit ihrem orientalischen Flair gefangen. Ein einmaliges Schauspiel. Das bunte Treiben wurde 2001 als erste Attraktion in die UNESCO Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen.

Von Marrakesch führt die Fahrt in Richtung Meknes, der dritten der alten Königsstädte Marokkos. Vorbei an den Wasserfällen von Ouzoud im Mittleren Atlas. Hundert Meter tief stürzen die Wasserkaskaden über einige Felstreppen in ein von oben gesehen türkis leuchtendes Becken. Junge Marokkaner verdingen sich hier als Touristenführer und leiten die Ortsfremden einen gut gangbaren Weg ins Flusstal. Gebannt betrachten wir die stürzende Wasserwand und setzen uns unten im Talkessel zu einer Rast. Denn der Aufstieg den Wasserfall entlang hat es in sich, bietet aber immer neue Blickwinkel auf dieses Naturschauspiel.

Meknes ist Ende des 17. Jahrhunderts von Mulay Ismail als Hauptresidenz zur gewaltigsten Festungsstadt Nordafrikas ausgebaut worden. Die wuchtigen Mauern und Tore, die groß angelegten Silos und Wasserbecken dokumentieren den Machtanspruch des unerbittlichen Scherifen, der sein Land mit starker Hand regierte. Seine Grabmoschee zählt mit ihren filigran gestalteten Mosaikwänden und -böden, den Marmor Säulen und ziselierten Gipsstuckarkaden zu den wichtigsten Baudenkmälern Marokkos. Getrennt von der Stadt befestigte der exzentrische Sultan einen Palast mit 30 Schlossbauten, die von Gartenanlagen mit Pavillons umgeben waren. Dazu kamen Kasernen für seine 150.000 Mann starke schwarze Garde und Unmengen von Sklaven, die sich um die Belange eines aufwändigen Hofes und das Gestüt mit über 10.000 Pferden kümmern mussten. Außerdem gönnte er sich einen internationalen Harem mit mehreren hundert Frauen, die ihm unzählige Kinder gebaren. Als imposanter Rest dieser Palast-Stadt steht noch die Toranlage des Bab el Mansour, die von römischen Säulen geziert wird. Das Leben aber pulsiert in der Medina, in den engen Gassen des Souk, die sich sowohl an die große Moschee der Stadt als auch an die Medresa Bou Inania, die Koransschule aus dem 14. Jahrhundert, so eng heran drängen, dass diese im Gewühl der Besucher fast übersehen werden. Im Februar 2010 stürzten nach tagelangen Regenfällen das Minarett und Teile des Daches der Bab-Berdieyenne-Moschee ein, die unter Sultan Mulai Ismail aus Lehm gebaut wurde.

Ganz in der Nähe von Meknes liegt die Pilgerstadt Mulay Idriss, deren Betreten für Nicht-Muslime kürzlich noch verboten war. Sie birgt die Grabmoschee der historischen Gestalt Mulay Idriss I., dem Begründer des arabisch islamischen Staates auf marokkanischem Boden. Auf Blickweite unter dieser um einen Felssporn gebauten Stadt liegen die Ruinen der römischen Stadt Volubilis, einst das Verwaltungszentrum der römischen Provinz Mauretania Tingitana. Viele Steine der römischen Bauten wurden für den Aufbau von Meknes verwendet. Das Gegenüber dieser beiden Orte ergibt ein eindrucksvolles Bild der Vergänglichkeit aller historischen Macht.

Nach der Besichtigung aller drei marokkanischen Königstädte Fes, Marrakesch und Meknes steuern auch wir unser Wohnmobil in Richtung Heimat. Zwei längere Pausen werden noch an der Atlantikküste eingelegt. Moulay Bousselham, die Stadt an der Flamingo Lagune, bietet uns einen Stellplatz am Wasser, an dem wir uns zurück lehnen und ausruhen können. Zwei Hafenstädte weiter liegt Asilah, dessen Mischung aus portugiesischen Bauten und arabischem Leben, an einem kilometerlangen Sandstrand unser letztes Bild von Marokko ist. Dann treibt Regen uns nach Hause. Zurück bleiben die tiefen Eindrücke eines Landes, dessen Landschaft und Bauten von dem Glanz und der Geschichte einer maghrebinischen Kultur künden, die einst von Sizilien bis weit nach Spanien herrschte.