Reiseberichte

2 Aus der Wüste zum Atlantik

2 Aus der Wüste zum Atlantik

Bildergalerie:

Kamele, Dünen und großes Kino

Text und Fotos: Raimund Binder

In Erfoud, einem der Tore zur Sahara, wird in den zahlreichen Schleifer-Werkstätten für fossile Steine deutlich, dass die Wüste einst Meeresboden war. Vorbei an einem Geysir mit eisenhaltigem Wasser führt der Weg durch die Dünen, in denen die Reste eines urzeitlichen Riffs den fossilen Rohstoff für die Schleifer-Werkstätten liefern. Der weitere Streckenverlauf ist nicht ungefährlich: Es heißt immer in der Spur des Vordermannes zu fahren, da die Ränder der Piste unbefestigt sind. Jede Abweichung kann zum Einsinken führen. In einem Beduinenzelt wird eine Rast eingelegt und die Fahrer können sich von der Anspannung der Sandpiste erholen. Es ist erstaunlich, wie effektiv der traditionelle Kamelwollstoff des Zeltes mitten in der Glut des Tages kühlenden Schatten spendet.

Die Wohnmobile steuern in der Nachmittagssonne die großen Sanddünen von Erg Chebbi an. Hier liegt am blau glänzenden kleinen Kamelsee das Camp Yasmina. Die Mischung aus Wüste, Wasser und traditionellem Baustil des Camps erinnert an die Kulissen zahlreicher Spielfilme über die Fremdenlegion. Hier warten bereits Kamele und die “Landyachten” werden gegen Wüstenschiffe eingetauscht. Als Kamelkarawane werden die Reisenden im gemächlich wiegenden Gang durch die Dünen getragen.

Auf dem weiteren Weg nach Merzouga wird diesmal bei einer richtige Filmkulisse pausiert: „Der Kleine Prinz“ nach St. Exupéry wurde zum Teil hier gedreht, und einige Tuareg-Händler nutzen den Schauplatz, um ihre Waren anzubieten. Abends wartet wieder ein Camp neben einem Hotel auf die Wohnmobilkarawane. Einer spontanen Wanderung in die Dünen schließt sich unaufgefordert ein Einheimischer an, der viel erzählt und gut berät. Anfangs wird seine Gesellschaft mit Gleichmut hingenommen, aber als es darum geht den Rückweg zum Camp zu finden, ist er die Rettung für die sorglosen Spaziergänger. Ohne ihn wäre in der gleichförmigen Landschaft keine Orientierung mehr möglich gewesen und der Rückweg hätte sich in der Vielfalt der Sandspuren verloren.

Über Rissani, ein weiterer Ort am Rande der Sahara und alter Umschlagplatz für die Waren der Karawanen, treten die Wohnmobile die lange Fahrt nach Zagora an. Ein kurzer Regenschauer reicht, um die Wüstenpflanzen aus ihrer Trockenheit zu erlösen, und so fährt der Konvoi durch eine blühende Geröll-Wüste. Nach einer Übernachtung in Tazzarine verlassen die Mobile das Tal des Ziz und erreichen das Tal des Draa. Hier liegen zahlreiche Ksour, historische Wehrburgen der Berber, inmitten von Oasen mit Dattel-Palmen. Ein hinreißendes Bild mittelalterlicher muslimischer Kultur. Der Ort Zagora im Tal des Draa ist das Zentrum der Tuareg-Kultur und der Startpunkt einer traditionellen Karawanenroute durch die Sahara. 52 Tagesritte auf dem Rücken der Kamele sind es bis Timbuktu. Die Wohnmobile, die auf den Pisten fast genauso schaukeln wie Kamele, rollen dagegen in Richtung Mhamid. Die zerfallenden Lehmbauten der alten Kasbah von Mhamid machen eine verlassenen Eindruck, dennoch ist die alte Kasbah neben dem neuen Dorf immer noch bewohnt. Ab hier führt nur noch Sandpiste weiter in die endlos scheinende Wüste. Mhamid wird von den Einheimischen selbst als das „Ende der Welt“ bezeichnet. Es fällt nicht schwer diese Einschätzung zu teilen.

Über die Kasbah Tamegroute, in deren traditionellen Töpferwerkstätten überwiegend grüne Keramik gefertigt wird, geht die Fahrt über die Höhen des Tizi-n-Tinififft, eine durch Canyons zerklüftete Bergkette mit Blick auf den hohen Atlas.

Zwei Höhepunkte der nächsten Kilometer sind Ouarzazate und Tata. Ouarzazate ist eine blühende Stadt rund um die sehenswerte Glaoui-Kasbah und die Atlas-Filmstudios. Hier wurden unter anderem zahlreiche Szenen für den Hollywood-Blockbuster „Gladiator“ gedreht. Wann immer es um Wüstenszenen geht, stehen auch die Atlas-Filmstudios auf der Liste der Produzenten. In dieser Stadt gibt es, fast einzigartig in Marokko, Geschäfte mit „Festpreisen“. Wer sich die gute Laune verderben will, kann hier nachrechnen, wofür er, trotz erfolgreichem Handeln, zu viel gezahlt hat. Am Anti-Atlas entlang führt der kurvige Weg nach Tata. Wie jedes marokkanische Stadtzentrum ist auch dieses ein riesiger Markt mit Geschäften und Verkaufsständen aller Art, Umschlagplatz für die Ware der in der Gegend verstreut lebenden Bevölkerung. Ansprechend sind die mit Kacheln ausgelegten Laubengänge, die das charakteristische Bild der Stadt prägen. Letzter Halt vor der Atlantikküste ist der Ort Guelmim. An der Fernstraße von Tanger nach Mauretanien gelegen, hat die Stadt den Sprung vom historischen Karawanen-Umschlagplatz zum Etappenziel der Fernfahrer vollzogen.