Reiseberichte

Médoc Teil 1

Médoc Teil 1

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Wellen, Wein und Wohnmobil

Text: Ralph Binder; Fotos: Raimund Binder, Ralph Binder

Es war der Sommer 2008 und es sollte der perfekte Urlaub werden. Ich hatte alles genau geplant. Aber nichts lief nach Plan. Es wurde dennoch ein schöner Urlaub. Das Ziel hieß Frankreich, genauer Bordeaux, noch genauer Lacanau-Océan im Médoc. Dort gibt es Wein und Wellen für mich, Wein und Radwege für mich und meine bessere Hälfte und viele andere Kinder für die Kinder (6 und 7 Jahre). Der Plan lautete: wir leihen ein Wohnmobil und fahren ab der Französische Grenze nur über Landstraßen, begleitet von französischen Chansons und landestypischer Akkordeonmusik in fünf Tagen bis Lacanau-Océan. Nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“. Vor meinem geistigen Auge sah ich sanfte Hügel, mittelalterliche Dörfer, Weinberge, Schlösser und alte Bauernhöfe vorbeiziehen. Während die Seele sich an der Natur labt, füllt sich der Kühlschrank mit landestypischen Spezialitäten. So stellte ich mir den perfekten Wohnmobilurlaub vor und den wollte ich bei der Anreise der Familie näher bringen.

Nancy

Tag eins lief noch alles wie geplant. Das Wohnmobil war einsatzbereit. Die wichtigen Dinge waren dabei: Fahrräder, Navigationsgerät, mobiler DVD-Player und gefühlte 20 Kinderfilme. Zwei richtige Weingläser samt High-Tech Korkenzieher, eine kleine Auswahl der heimischen Kochmesser sowie Wasserfilter und Teekanne mit Stövchen ergänzten die ansonsten campingmäßige Reiseausstattung. Bei gewissen Dingen gibt es eben keine Kompromisse. Im Urlaub schon gar nicht. Auf der deutschen Autobahn fuhr ich den geliehenen Boliden einmal aus und bemerkte zufrieden, dass er trotz großem Alkoven zügige 140 Stundenkilometer fuhr. Was er auch durfte, denn er wog weniger als 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht. So erreichten wir schnell die französische Grenze und ich bog ab auf die Landstraße. Der erste Kreisel an der Einfahrt zur ersten Ortschaft machte mir klar, dass das Kurvenverhalten meines Wohnmobils nicht ganz so sportlich war wie die zügige Gangart bei Geradeausfahrt vermuten ließ. Nach drei weiteren Ortschaften fuhr ich Kreisverkehre nur noch im Schritttempo. Bereits nach zwei Stunden Landstraße kamen aus den hinteren Rängen die ersten Unmutsäußerungen. Die hatten jedoch nichts mit meiner Fahrweise zu tun. Die Kinder hatten nun bereits drei Asterix-Filme gesehen und machten deutlich klar, dass sie jetzt gerne mal ankämen. Kurz darauf erreichten wir zum Glück auch den Wohnmobilstellplatz von Nancy: Vier größere Parklücken am Yachthafen samt kleinem Sanitärgebäude, das ursprünglich für die Binnenschiffer gedacht war, aber auch uns gute Dienste bot. Wir machten einen Spaziergang ins nahe gelegene Zentrum. Die Kinder trotteten mit, nachdem ihre Mutter mit Nachdruck den dringenden Bedarf an Bewegung dargelegt hatte. Für die schöne Architektur des Place Stanislas konnten sie sich aber nicht recht begeistern. Der im 18. Jahrhundert angelegte Platz verbindet den mittelalterlichen Teil mit der Neustadt. Das Carée ist von kunstvollen Schmiedearbeiten umgeben, die aufwändig goldverziert sind. Viel interessanter fanden die Kinder den dahinter liegenden Parc de la Pépinière mit seinem großen Spielplatz und dem Wasserspiel in der Mitte. Abends saßen wir noch am Marne-Rhein-Kanal und verspeisten die ersten französischen Einkäufe.

Unterwegs

Tag zwei lief alles aus dem Ruder. Mein Plan hatte die Geduld der Kinder klar überfordert und auch der mobile DVD-Player konnte trotz Dauereinsatz den Unmut der Kleinen nicht mehr bremsen. So kamen wir zu den besten Weingütern des Burgund – und fuhren vorbei. Aber hier komme ich sicher nochmal hin – irgendwann. Der kleine Campingplatz La Grappe d’Or bei Beaune rettete endlich die Stimmung. Wir kamen am frühen Nachmittag dort an – schließlich waren ja alle meine Vorschläge für geeignete Besichtigungs-Pausen abgelehnt worden – und die Kinder stürzten sich sofort in das kleine Schwimmbad. Nachdem wir das Wohnmobil für die Nacht hergerichtet hatten, gingen auch wir Großen hinterher. Abends saßen wir noch auf der Terrasse des einfachen Campingplatzlokals bei einem eher durchschnittlichen Abendessen mit überdurchschnittlichem Ausblick auf die Weinstöcke des Chateau Meursault. Beim Wein ließ ich mich überreden, am nächsten Tag schnellstmöglich wieder die Autobahn zu suchen. Hier stellte ich den Tempomaten auf 120 und ließ die Kiste rollen. Mein Plan für die Anreise war damit Makulatur. Die nächste Etappe wurde auf diese Weise bereits deutlich weiter nach hinten verlegt. Wir hatten auch die Kinder überzeugt, dass wir zwar jetzt etwas länger am Tag fahren würden, aber dafür einen Tag früher am Ziel wären, wo es Schwimmbad und Meer gibt. Das Argument zog! Und so schafften wir es an Tag 3 bis zum Campingplatz Chateau Du Gibanel bei Argentat an der Dordogne. Im ehemaligen Schlossgarten sind heute die Stellplätze angeordnet, im Schloss befinden sich Rezeption, und Restaurant. Zudem gibt es ein großes Schwimmbad, einen Fußballplatz und die gestaute Dordogne als Badesee. Kinder und Eltern waren glücklich und bewegten die nach der langen Fahrt eingerosteten Knochen. Da wir noch deutlich vor den französischen Sommerferien unterwegs waren hatte das Restaurant im Schloss leider Ruhetag. Es soll nämlich durchaus gut sein und auch von Einheimischen frequentiert werden, versicherten unsere Stellplatznachbarn. Wir hätten das nur zu gern gründlich überprüft. Aber hier kommen wir sicher nochmal hin – irgendwann.

Lacanau-Océan

Tag vier kannte dann nur ein Ziel: Lacanau-Océan. Wir ließen die Dordogne buchstäblich links liegen ignorierten das Perigord, Monbazillac, Bergérac und schließlich auch St-Emilion. Aber hier kommen wir sicher nochmal hin – irgendwann. Als wir Lacanau-Océan erreichten, war es bereits später Nachmittag und wir duften gerade noch auf unseren Stellplatz fahren. Obwohl wir einen Tag zu früh waren, war der frei. Ein Luxus, den wir in der Hauptsaison sicher nicht gehabt hätten. Denn der Campingplatz Yelloh! Villages Les Grands Pins ist während der französischen Sommerferien absolut ausgebucht. Das durften wir an den letzten Tagen unseres Aufenthalts erfahren. Der riesige Ferienplatz bietet alles, was Kinder, Jugendliche und bewegungsfreudige Erwachsene in ihren Sommerferien gerne tun. Tennisplatz, Schwimmbad, Surfschule, Bolzplatz, Einkaufzentrum, mehrere Restaurants und den Atlantik gleich hinter der Düne. Dazu gibt es in der näheren Umgebung viel Natur und Fahrradwege. Lacanau-Océan ist ein gut ausgebauter Ferienort, der im Winter fast völlig einschläft und im Mai erst wieder zum Leben erwacht. Die weitere Umgebung ist vor allem für Erwachsene: die Weingebiete von Bordeaux, Bordeaux selbst, das Bassin d’Arcachon mit seinen Austernbänken und die Dune de Pilat. Um es gleich vorweg zu nehmen: Von alledem haben wir nichts gesehen! Und das hatte zwei Gründe. Zunächst einmal gefiel es den Kindern auf dem Campingplatz so gut, dass sie eigentlich gar nicht weg wollten. Selbst für zwei Fahrradausflüge in den Ort mussten wir große Überzeugungsarbeit leisten. Darüber hinaus hatten wir keine Lust, das einmal für längere Zeit ausgerichtete und wohnfertig gemachte Mobil wieder zu bewegen, um einen Ausflug zu machen, für den man ein Auto braucht. Der Idee, einfach im Ort ein Auto zu mieten, schob der Finanzminister einen Riegel vor. Zum meinem Glück gab es im Ort einen gut sortierten Weinladen, der die Verkostung zahlreicher Bordeauxweine auch unter der eigenen Campingmarkise ermöglichte. Zehn Tage verbrachte ich zwischen Strand, Campingplatz und dem kleinen Örtchen Lacanau-Océan. Die Kinder fanden schnell Freunde und waren glücklich. Wir Erwachsenen machten unsere ersten Wellenreit-Versuche. Wir erholten uns prächtig, allerdings hatten wir ein wenig das Gefühl, etwas zu verpassen, da wir den Campingplatz kaum verließen. Ich musste feststellen, dass mein perfekter Wohnmobilurlaub mit Kindern schwierig ist – zumindest mit unseren. Aus diesem Grund nahm ich mir vor, beim nächsten Mal mit einem Wohnwagen her zu kommen. Dann stünde das Zugfahrzeug einsatzbereit auf dem Parkplatz vor dem Campingplatz. Die Kinder könnten den ganzen Tag mit ihren Freunden auf dem Campingplatz bleiben und für uns Erwachsene gäbe es die Möglichkeit für längere Ausflüge. Nach Bordeaux, zu den großen Weingütern des Médoc, zum Bassin d’Arcachon, zur Dune de Pilat und zu den gigantischen französischen Supermärkten mit der riesigen Spezialitäten-Auswahl.