Reiseberichte

1 Von Tarifa nach Meski

1 Von Tarifa nach Meski

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Paläste, Felsen und die blaue Quelle

Text und Fotos: Raimund Binder

Wer sich einer geführten Reisegruppe nach Marokko angeschlossen hat, fährt zunächst nach eigener Planung bis in den Südzipfel Spaniens, nach Tarifa. Hier, am südlichsten Campingplatz Europas, 15 Kilometer entfernt von Afrika, treffen sich die Teilnehmer des Wohnmobilkonvois, um von Algeciras nach Ceuta überzusetzen. In Ceuta geht es an die marokkanische Grenze und nach kurzen Grenzformalitäten ist man in einem Land voller Überraschungen.

Positiv überraschen zunächst die guten Straßen und die mediterrane Landschaft. Sowohl auf die erwartete Kargheit afrikanischer Landschaft als auch auf die vermuteten Straßenschäden treffen die Wohnmobile jedoch, je tiefer sie nach Süden und ins Landesinnere vordringen. Das erste Ziel der geführten Gruppenreise ist die Königsstadt Fes im Zentrum Marokkos. Im festen Ring der mittelalterlichen Mauern mit ihren hohen Toren lebt eine arabische Medina, die ihresgleichen wohl schwerlich findet. Verkaufsstände, Garküchen, Werkstätten und Manufakturen säumen die engen Gassen, durch die sich Händler und Kunden in alle Richtungen schieben. Die Waren werden immer noch gerne auf Eseln transportiert, weil diese leichter durch die engen Gassen und das Menschengewirr kommen. Die Farbenflut, die Geruchsmischung aller nur denkbaren Aromen und Gewürze, der beißende Gestank im Stadtviertel der Gerber und der Rhythmus all der klopfenden, klappernden, klirrenden, wetzenden Handarbeitsgeräusche prägen das geschäftige Bild dieses UNESCO Weltkulturerbes. Die kunstvolle Pracht des Palastes wie auch der Moscheen und der Heiligtümer an den zentralen Plätzen der Stadt versetzen die Besucher gleich zu Beginn der Reise in eine Welt wie aus Tausendundeiner Nacht.

Als nächstes locken die Höhen des Tazekka Naturreservates mit ihren schroffen Felswänden, ihren kurvenreichen Straßenwindungen und dichten Korkeichenwäldern. Der Ausblick auf die verschneiten Gipfel des Atlas Gebirges ist eine nächste große Überraschung, bevor die Wohnmobile durch die fruchtbare Hochebene von Taza den Campingplatz in Guercif erreichen. Die Stadt selbst birgt nach dem üppigen Eindruck, den Fes hinterlassen hat, nicht mehr viel Neues. Das Fladenbrot wird zum kulinarischen Renner und Wasser wird nur aus der versiegelten Flasche getrunken. Aber zum übersüßten Pfefferminz-Tee setzt sich der Reisende gerne und lässt das Treiben der Stadt an sich vorüber ziehen.

Der Weg nach Midelt bringt den Wohnmobilkonvoi der Wüste näher. An dieser Straße versuchte die französische Fremdenlegion die Kolonialinteressen zu verteidigen. Geblieben sind Friedhöfe und Ruinen, die höchstens noch zum Unterstellen der Esel taugen. Die enge und zum Rand hin brüchige Straße teilen sich die Wohnmobile mit dem nur spärlichen einheimischen Verkehr. Hie und da duckt sich ein Ksar, ein mittelalterlich anmutendes Dorf mit eng beieinander liegenden Lehmbauten, am Straßenrand. Abends ist Midelt erreicht, ein Zentrum der Teppichknüpfkunst am Fuße des mittleren Atlas, und erlaubt noch einen Bummel über den Markt.

Ein weiterer Höhenzug des Atlas ist zu überwinden, um durch das Flusstal des Qued Ziz zur Wüsten-Oase Source bleu de Meski zu gelangen. Hier hat die Legion einen Tunnel gegraben, als die Straße durch den Atlas gelegt werden musste. Er ist immer noch eng, roh in den Stein gehauen, und jeder Wohnmobilbesitzer ist froh, unbeschadet hindurchgekommen zu sein. Hinter dem Pass schlängelt sich die Straße den grünen Streifen des Tales entlang bis zu einer als Hotel wiederaufgebauten Kasbah. Die einstige kriegerische Festung bietet einen herrlichen Rastplatz. Danach aber heißt es weiter Kilometer fressen, ehe die erfrischende Pause bei der blauen Quelle genossen werden kann.

Zwischen dem auf der Hochebene erbauten neuen Dorf Meski und der auf einem gegenüber liegenden Berg thronenden Ruine der alten Kasbah schlängelt sich das Flusstal des Ziz wie ein grünes Band durch den Lehm und Sand der Umgebung. Diesmal ist der Wasserstand des Ziz so hoch, dass die Ruine, die nur durch eine Furt zu erreichen wäre, nicht besichtigt werden kann. Dafür bietet das Wasser der blauen Quelle, das in einem Schwimmbecken aufgefangen wird, eine herrliche Erfrischung nach der staubigen Fahrt. Zwei Nächte bleiben die Wohnmobilreisenden und zwei Tage lang werden sie von den um den Platz lagernden Souvenirhändlern zum Kauf ihrer Waren gedrängt. Es ist ein Anpreisen und Feilschen, bei dem richtig Spaß aufkommen kann, wenn es gelingt, die typisch westliche Vorstellung von Preisbindung abzulegen. Flüchtige Freundschaften kommen auf und feiern sich selbst bei einem vor allem lauten Fest mit Lagerfeuer, Tanz und Musik.